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FAHR RAD

RADFAHREN IST GESUND

Wer in der heutigen Zeit überlegt, wie die täglichen Arbeitswege zu bestreiten sind, der landet schnell bei der einfachen Entscheidung das Auto zu nehmen. (#1stworldproblems)

Doch in Zeiten des immer stärker wachsenden Verkehrsaufkommens war für mich die Entscheidung nicht ganz so einfach.

Jeden Morgen bringe ich unseren Sohn zur Kita, und hole ihn nach der Arbeit auch wieder ab. Die Stadt ist morgens zur Pendlerzeit knüppelvoll und daher entsprechend gefährlich, weil alle „nur mal schnell“ zur Arbeit wollen.

Rücksicht? Vorausschauendes Fahren? Fehlanzeige.

Nur mal eben schnell bei kirschgrün mit rüberhuschen…

Jeder Verkehrsteilnehmer scheint im Ernstfall die allgemeinen Verkehrsregeln zu seinen Gunsten verbiegen zu können; und gefährdet damit nicht nur sich, sondern auch andere.

Diese Schieflage will ich nun nutzen, um mit einem Ebike Selbstbau zu beginnen und das Auto künftig mehr stehen zu lassen.

Also fangen wir einfach an:

Man nehme ein 13 Jahre altes MTB (Hersteller KS-Cycling) ohne irgendwelchen Schnickschnack dran und bestellt sich erst mal den richtigen Umbaumotor.

Was ist der richtige Motor?
Aufgrund der Beschaffenheit vieler (vor allem günstiger) Fahrradrahmen möchte ich an dieser Stelle Abstand davon nehmen, den Umbau auf einen Frontantrieb im Vorderrad zu vollziehen. Viele Gabeln (auch an MTBs) sind nicht für ziehende Belastungen konzipiert und knicken weg, oder reißen gleich an der Aufhängung, wenn der Fahrer zu ruppig Gas gibt.

Auch gibt es Experten, die meinen, eine Radaufhängung am Fahrrad mit einer Feile größer machen zu können, um eine etwas dickere Radnabe darin unterbringen zu können. Als Konsequenz dieser Pionierarbeiten können wir im Netz zahlreiche Bilder von Ebikeunfällen mit ausgerissener und/oder umgeknickter Gabel bewundern.

Wir wollen unter allen Umständen vermeiden, dass der Frontantrieb eher am Ziel ist, als der Fahrer mit dem Rest des Fahrrades.

Ein Mittelmotor ist eine sehr gute Wahl. Jedoch die hierfür erforderlichen Umbauten am Fahrradrahmen waren mir zu komplex – und auch der Motor meines Herzens (Bafang/Bosch) zu teuer. Weiterhin ist mir ein Mittelmotor zu hässlich. Es entartet ein Fahrrad in mein Augen schnell zu einem augenscheinlichen Kraftrad… Es soll bitteschön ein Fahrrad bleiben, optisch und juristisch betrachtet.

Nun, da wir wissen, dass es Hinterradmotor sein soll, können wir auch schon fast mit der Suche beginnen. Momentchen noch, denn wie schaut es überhaupt mit der Rechtslage in Deutschland dazu aus?

Ohne Helm und Versicherungskennzeichen liegt die Schallgrenze in Deutschland bei 250W. Alles darüber wird als Leichtmofa bezeichnet und benötigt zumindest eine Versicherung (daher Kennzeichen). Fahren ohne Versicherungsschutz ist ein Straftatbestand, und kann daher mit Ärger einhergehen.

Ohne Gasgriff, aber mit Pedalsensor hat der 250W Motor die Aufgabe den Fahrer ausschließlich beim Treten zu unterstützen. Tretkraftunterstützung heißt das hierzulande. Weiterhin muss der Motor bei 25kmH abschalten. Ein Helm ist in dieser Konstellation nicht gesetzlich vorgeschrieben, aber Chirurgen aller Länder sind sich jetzt schon einig: Esst mehr Käsetoast! Natürlich trägt man beim Radfahren mit und auch ohne Tretkraftunterstützung immer einen Helm, das gebietet die Physik und die eigene Vernunft! Wer hier anderer Meinung ist, kann gerne die Kontaktfunktion nutzen, um mir mal so richtig die Meinung zu sagen.

Mein altes Fahrrad:

KS Cycling 28″ Citycrossbike (kein MTB, aber so ähnlich)

24 Gänge via Shimano Kettenschaltung

V-Brake Bremsen von Shimano, vorn wie hinten

Sattel und Anhängerkupplung.

Der Ausgangszustand des Vehikels war als desolat zu bezeichnen.

Der Hinterradfelge fehlten bereits drei Speichen, das Tretlager war kaputt und auch der Lack ist alles andere als ansprechend.

Sas Tolle an diesem Projekt war:
Ich hatte mal wieder keine Ahnung wie das geht.

Also fangen wir an:

Wenn man ein Fahrrad restaurieren möchte beginnt man am besten damit, es zu reinigen. Die ergonomische Möglichkeit, dies zu bewerkstelligen ist, dass Fahrrad im ganzen auf angenehmer Höhe aufzuhängen. Hierfür gibt es im Handel bestimmte Werkzeuge/Ständer, ein Stück Holz und ein gutes Seil tun es auch. Schraubzwingen sind ebenfalls nützlich um das Fahrrad zu fixieren, während es bearbeitet wird.

Nach dem Saubermachen kommt die Demontage. Wir zerlegen das Fahrrad wie ein Gewehr und lassen keine Schraube mehr da, wohin sie gehört. Damit es am Ende nicht zu erheblichen Schwierigkeiten beim Wiederzusammenbau kommt, empfehle ich schon jetzt eine Zeichnung auf einer großen weißen Seite anzufertigen und alle schrauben darauf zu kleben (mit transparentem Klebefilm, teaser oder so). So gehen keine Schrauben verloren und man weiß nach ein paar Tagen noch genau, wo jede einzelne Schraube mal ihren Platz hatte.

Das Tretlager kommt auch raus… Zum Thema wie geht das, kann man sich zuvor ein paar Videos auf Youtube reindrücken, das klappt schon… Pustekuchen.

Das Tretlager bei einem so alten Fahrrad zu entfernen und durch ein neues zu ersetzen, kann in einigen Fällen (und natürlich auch meinem) zu erheblichen Umständen führen. Meist sind die Dinger nämlich extrem festgerottet und lassen sich nur mit erheblich zu hohem Kraftaufwand unter Zuhilfenahme der entsprechenden Werkzeuge überhaupt bewegen. Dabei leidet Mensch und Material meist so sehr, dass einer von beiden aufgibt, bevor das Lager raus ist.

Zerstören wir in diesem Zuge das Tretlagerinnengewinde, kann die Baustelle gleich zu gemacht werden, denn damit wäre der Rahmen hin. Gewalt ist hier keine Lösung, viel Kraft aber manchmal schon. Also beim Ausdrehen des Tretlagers immer mit dem richtigen Werkzeug arbeiten, und nicht die Pumpenzange nehmen. (…und ich hab’s trotzdem getan, #MST3Ktm )

Danach kommt der erste Schliff. Ich entschied mich vorab gegen Beize wegen der Sauerei und auch, weil ich Steinschläge im Rahmen weniger sichtbar haben will. Beim Schleifen ist immer zu beachten: weniger ist mehr. Gerade die guten Alu Rahmen können nicht so wirklich gut grobe Körnungen (alles unter 100) ab. Daher empfehle ich mit 100er oder gleich mit 160er Schleifpapier zu beginnen. Bei mir hat dieser Prozess 3 Tage gedauert und ich habe jede Kante und Ecke meines Rahmens dabei lieben gelernt. OK, ein wenig mit Beize habe ich doch nachgeholfen…. aber nur in den schwer zu erreichenden Ecken.

Nach dem Schleifen war der Rahmen blank. Mit Aceton wurde er nun Rückstandsfrei gereinigt. Kurz hatte ich überlegt, nun einfach Klarlack darüber zu sprühen und gut ist. Ich finde Alulook hübsch, aber es sollte biddeschön anthrazitfarben werden das Ganze. Nicht genug: Zuerst kommt eine Schicht Grundierung, dann das besagte Grau und zuletzt ein spezieller Krakellierlack. Die Oberfläche wird damit über-lackiert und reißt partiell wieder auf. Sieht aus, als wäre es alt und verbraucht… ist aber neu 🙂

Zum Thema wie viele Schichten sollte man denn lackieren kann ich nur sagen, dass ich kein Lackierer bin und der keine Ahnung habe.

Ich habe eine Grundierung, dann den Lack und zwei Schichten Klarlack aufgetragen. Nachdem der Lack nun einige Tage festziehen konnte muss ich sagen, grade die Grundierung hätte deutlich großzügiger ausfallen müssen… und auch die Farbe hätte gut noch eine Schicht mehr haben können. Aber was solls, besser als zuvor sieht es allemal aus.

Nun zum Zusammenbau

Das Hinterrad mit dem Motor ist schnell ausgemacht. Es ist komplett eingespeicht und der ESC (ElectronicSpeedController) ist auch schon dabei. 2 Bremsen mit CutOff und auch ein Gashebel sowie der Pedaliersensor sind ebenfalls im Lieferumfang enthalten.

Wer keinen Anspruch an Materialqualität und/oder Ästhetik hat, der kann/sollte diese Teile verwenden.

Besonders die Bremsen mit CutOff haben mich noch zum Narren gehalten.

Warum. Naja, meistens sind heutige (auch ältere) Fahrräder mit Kettenschaltungen bedienbar über Schalthebel, die in den Bremshebel integriert sind. Zumindest Shimano macht das seit einiger Zeit so.

Nun hat meine neue Schinabremse zwar einen CutOff, aber keinen Schalthebel… Es gibt keine Bremsschalthebel mit CutOff im Fahrradsektor.

Also gilt auch hier wieder DIY.

Ich habe mir zu diesem Zweck einfach einfache Schalthebel besorgt, und diese semigut mit meinem Lenker verheiratet.

Sieht nicht gut aus, funktioniert aber.

Als ich das Bremshebelproblem gelöst hatte, viel das nächste auf die Füße. Die hintere Bremse (V-Brake) sollte ersetzt werden durch eine kräftigere Scheibenbremse. Kleines Problem: Der Rahmen hat keine Vorrichtung zum Anbringen eines Scheibenbremssattels. Somit musste erst mal dafür gesorgt werden, dass der neue Bremssattel mit dem Rahmen verheiratet wird.

Damit hier nicht allzu viel Pfusch am Bau passiert, habe ich mir einen Adapter besorgt, der genau für diesen Zweck gemacht ist, ein altes Fahrrad mit einer Scheibenbremse aufzurüsten.

Das, meine lieben Freunde, ist MEGAfrickelkram. Das mich zwei Tage gekostet, bis die Bremse am Rad funktioniert hat.

Jetzt aber zum eigentlichen Problem, Strom.

Woraus baut man einen Akku für ein Ebike, und womit?

Woraus? Na, aus LiIon 18650 Zellen – alles klar?

Das war die kurze Antwort.

Auf der Suche nach einem Speichermaterial, dass möglichst viel Energie auf möglichst wenig Platz unterbringen kann (Energiedichte) landet der findige MacGyver von heute schnell bei der Elementarphysik. Ich will jetzt nicht zu viel erzählen, aber die Energiedichte von Treibstoffen/Batterien wurde bereits mehrfach untersucht…

Energiedichte – Wikipedia

Bessere Eigenschaften würde eine Celle mit einer Alkali-Mangan Füllung erzielen. Diese wäre schwerer, seltener, giftiger und teurer, als eine LiIon Celle. Auch eine Zink-Luft Mischung weist eine höhere Energiedichte auf…. Try and Error. → BUMM

LiIon Cellen im genormten 18650 Maß…

50 Stk von Samsung kosten neu knappe 105 Euro. Neu kaufen wir deswegen, weil keiner genau sagen kann, was mit einer gebrauchten Batterie schon alles passiert ist. Schließlich habe ich nicht vor eine Hantel zu bauen, sonern eine Hochstrom energiespeicherzelle, die über 16Ah Energie mitführt, und das bei rd. 40V – das knallt ordentlich.

Somit war mir sofort klar, dass in diesem Abschnitt meines Selbstbaus, sich die Spreu vom Weizen trennt. Ein Kurzschluss, und/oder ein zu hoher Stromfluss kann schnell dafür sorgen, dass der Fahrer unpünktlich wird. Es ist nicht zu empfehlen mit LiIon-Hochstomzellen Fehler beim bauen einzubauen.

Nicht löten (zu heiß),

nicht kleben (keine Luftzirkulation und zu heiß) ,

sondern Punktschweißen !

Bis zum Zeitpunkt dieser Erkenntnis war ich noch nicht im Besitz einer Maschine, die ich zum Punktschweißen verwenden konnte/wollte.

Exkurs, Punktschweißen:
Um Akkuzellen für den Rest Ihres Lebens miteinander zu verheiraten verwendet man heute ein spezielles Punktschweissverfahren, welches microcontrollergesteuert einen konfigurierbaren Punktschweißimpuls zwischen zwei Elektrodenstäben erzeugt.

Im Grunde genommen handelt es sich hier um einen gewaltigen AC Trafo (steckt in jeder handelsüblichen Mikrowelle) , der wenn man ihn an die Steckdose anschließt, so viel Strom auf einmal zieht, dass die Sicherung einen Schreck bekommt… aber keine Sorge, it works as designed. Ist die Sicherung einmal wieder drin und der Trafo nicht ganz entladen, so bleibt sie auch im fortlaufenden Betrieb dieser Höllenmaschine in der Regel drin. Es gibt ein Fußpedal und jede Elektrode selbst hat auch einen Schalter. Erst wenn beide Schalter beider Elektroden gedrückt sind, kann man den Puls über das Fußpedal auslösen. Dann knallt es gewaltig (gewollt) und die Metalle an den Elektroden sind verheiratet.

→ EINSPRUCH Euer Ehren: Wenn es knallt, machst Du es falsch. Stell den Schweissimpuls so ein, das ein minimaler Funke beim Schweißen entsteht. Man erschrickt sich als Laie nur so sehr, dass es ein wenig gruselig wird, aber im Grunde genommen nur, weil es so schnell geht. Ranhalten, Pedal treten und zack – das macht Spaß. Ich empfehle einen zusätzlichen FI Schaltkreis und auch Gummihandschuhe zu tragen.

Die Firma Sunko (Schina) stellt diese Geräte her. Das darin verbaute Ladegerät ist nett, aber für unsere Zwecke nicht zu gebrauchen.

Die Form:
Eine weitere Frage, die es zu klären galt war, welche Form soll das Akkupack nachher haben. Nach vielem hin und her war das Trapez für mich am ansprechendsten. Ich designte in TinkerCAD eine Trapezförmige Lochplatte, die genau die Größe der Zellen hatte, so dass diese dort hineingesteckt werden konnten. Eine Platte für oben, und eine für unten.

Nun waren die Zellen bombenfest miteinander verheiratet. Ohne Kleber, und mit Möglichkeiten der Luftzirkulation zwischen jeder einzelnen Stelle… keine der 50 Zellen berührt eine andere. Kein Kleber, kein Löten, so wollen wir das! Nun brauchte ich noch Nickelstreifen in ausreichender Stärke, dass Sie dem zu erwartenden Stromfluss des Batteriepacks bei laufendem Motor unter Last standhalten können, ohne heiß zu werden. Reines Nickel zu bekommen ist gar nicht so leicht, denn hier wird man gern mit vernickelten Artikeln bombardiert, die aber alle nicht so leitfähig sind. Die Nickelstreifen werden dann oben und unten auf dem Akku genutzt um die leitende Verbindung zwischen den einzelnen Zellen herzustellen. Genau: im Punktschweißverfahren. Die Stecker kommen aus meinen anderen Modellbaubaustellen (xt60) und der Schalter kommt aus einem alten Lötkolben. Des weiteren habe ich dem Pack noch ein Wattmeter spendiert, so dass man nach dem Einschalten bequem auf einem Display sehen kann, wie viel Saft noch drin ist. Außerdem ist hier auch gleich ein Amperemeter mit verbaut. Zudem kommt vor den Anschlussstrang eine 12V KFZ Sicherung, um den maximalen Stromfluss zu deckeln. Sollte Etwas ungeplantes passieren brennt (je nach Sicherung) vorher einfach die Sicherung durch. Hinterher zur Deko noch ein bisschen Panzertape dran, damit das Teil nicht gleich aussieht wie eine Bombe, und zack fertig.

Eine eigens zu diesem Zweck von mir erdachte Halterung zum stecken am Rahmen habe ich aus PETG gedruckt, und bin auch nach mehreren hundert Kilometern Fahrstrecke immer noch davon überzeugt, dass das eine gute Idee gewesen ist.

Zuletzt hat mich noch ein wenig das neue Tretlager beschäftigt, welches nicht so recht mit dem Pedalsensor passen wollte, welcher darübergestülpt und festgeschraubt wird. Nun ist alles dran, und alles eingestellt. Alle Gänge sind schaltbar und auch die Bremstests mit Kind und Kegel wurden bei Maximalgeschwindigkeit von 25 Km/H erfolgreich absolviert.

Mit einer Ladung komme ich ca. 60Km weit, wenn ich nur so tue als ob ich trete, mich in Wirklichkeit aber schieben lasse. Ein tolles Gefühl. Nach ca. 3 Monaten Bauzeit, war endlich alles fertig. Insgesamt habe ich 486€ (inkl Akku) bezahlt und habe ein Fahrrad, welches nicht nur Seltenheitswert hat, sondern auch richtig gut läuft.

Nun geht’s auf die Straße damit… huiiiiiiiiiii 😉

Weiter geht’s mit „fahr Rad 2.0“.